13. Januar bis 24. Februar 2013
Eine Ausstellung im Rahmen des Stadtjubiläums
Eine Auswahl mit Werken von
Anne Daubenspeck-Focke
Herbert Daubenspeck
Hans Eick
Blalla W. Hallmann
Walter Jasper
Hubertus Jelkmann
Franz Klopietz
Klaus Kossak
Kristian Niemann
Karl-Heinz Stapper
Peer Christian Stuwe
Im Jahr 2013 feiert Emsdetten 75 Jahre Stadtrechte. Das Stadtjubiläum ist Ausgangspunkt für einen Rückblick in das künstlerische Schaffen vor Ort. Es handelt sich nicht um einen vollständigen chronologischen Abriss der Emsdettener Kunstgeschichte und es erwartet Sie auch kein prall gefülltes Album, sondern die Ausstellung zeigt einzelne Werke aus den Bereichen Malerei, Grafik, Fotografie, Skulptur aus verschiedenen Jahrzehnten, die Künstlerinnen und Künstler geschaffen haben, die in einer engen Beziehung zur Stadt Emsdetten stehen oder gestanden haben. Es ist eine Auswahl, die verschiedene Ansätze, Phasen, Techniken, Stilrichtungen umfasst und so auch eine Art von künstlerischem Gedächtnis bildet.
Schaut man in die Kunstgeschichte der vergangenen 75 Jahre, da begegnen einem Stilbegriffe wie Blut-und-Boden-Kunst, Abstrakter Expressionismus, lyrische Abstraktion, Informel, Neue Wilde, Fotorealismus, Neue Figuration, Objet trouvé, Minimalismus, Readymade. Natürlich könnte man nun eine Ausstellung mit dem Titel „Retrospektiv – 75 Jahre Kunst in Emsdetten“ entlang dieser kunsthistorischen Begrifflichkeiten konzipieren, man könnte akribisch chronologisch vorgehen und versuchen, in einer zeitintensiven Recherche alle und alles zu erfassen, was sich in Emsdetten unter Kunst subsumieren lässt.
Das ist aber nicht die Intention dieser Ausstellung. Hier finden Sie eine subjektive, kleine, pointierte Auswahl von Exponaten von Künstlerinnen und Künstlern, die in und mit ihrer Arbeit in der Stadt und im kollektiven Gedächtnis präsent sind. Manche haben nur eine kurze Zeit in der Stadt gelebt, andere sind hier geboren, leben seit vielen Jahren und Jahrzehnten in Emsdetten. Die Werke sind nicht in einer bestimmten Reihenfolge, zeitlich oder inhaltlich sortiert, ausgestellt, sondern ihnen wird freier Raum gegeben, um Wirkung und Sinnlichkeit zu entwickeln und in einen Dialog miteinander zu treten, um eine Art Gewebe zu bilden, das bei aller Unterschiedlichkeit einen Zusammenhang, ein künstlerisches Miteinander ergibt.
Ausstellungsrundgang
Unübersehbar stoßen Sie beim Eintritt in den Raum auf das Werk „La vie en rose“ von Peer Christian Stuwe. Eine Panzersperre, die den Weg verstellt, als Entree in eine Ausstellung? Liegt darin ein Widersinn? Eine Provokation? Oder eine ästhetische Einladung? Peer Christian Stuwe, geboren in Ennigerloh, Studium der Kunst und Philosophie in Münster, lebt heute in Saerbeck, war aber über Jahre hier in Emsdetten, auf einem Kotten in Ahlintel, beheimatet. Skulpturen entstehen bevorzugt aus Fundstücken, vom Schrottplatz, aus der Alltagskultur, industrielle Abfallprodukte oder vermeintlich nutzlose Reste, denen er in neuen Verbindungen und durch die künstlerische Geste ein zweites Leben gibt.
Karl-Heinz Stapper, 1958 in Emsdetten geboren, lebt schon seit 25 Jahren in Köln, er hat aber den Kontakt zu Emsdetten nie verloren. Grundlage seiner beeindruckenden Ölbilder sind Fotografien. Nach altmeisterliche Manier überzieht er die grundierte Leinwand mit einem feinen Rasternetz aus Bleistiftlinien, innerhalb dessen er zunächst eine Vorzeichnung anlegt. Die Rasterstruktur wird dann in wochenlanger Detailarbeit Feld für Feld ausgemalt. Man könnte diese Rastertechnik vielleicht als extrem verlangsamtes Pendant zur hyperschnellen Welt der Megapixel auffassen.
Wir kommen zu einem „Alleskönner“, einem Künstler, der in Emsdetten „eine Institution ist“: Franz Klopietz. 1908 in Wien geboren und seit 1946 bis zu seinem Tod 2003 in Emsdetten lebend, hat er nicht nur einen reichen Fundus an unterschiedlichsten künstlerischen Arbeiten hinterlassen, sondern er hat auch durch seine Tätigkeit als Kunsterzieher am Gymnasium Martinum und als Initiator von Ausstellungen die Kunst vor Ort geprägt. Die große Retrospektive, veranstaltet vom Emsdettener Kunstverein 1989, hat einen eingehenden Blick auf sein Werk gerichtet. Hier zu sehen sind eine Auswahl seiner Tieraquarelle, das bekannte Ölbild „Reiter“, kleine Formate mit Anklängen ans Informel sowie im Raum oben seine bekannte Stadtansicht aus dem Jahr 1955.
Hans Eick war Fotograf, international tätiger und anerkannter Werbe- und Industriefotograf. In den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens, er ist 2009 verstorben, entwickelte Hans Eick eine Art digitale Malerei, wobei er Motive aus ausgeführten Auftragsarbeiten in die digitale Bearbeitung einfließen ließ und die künstlerische Auseinandersetzung mit der industriellen Formensprache und dem Kontrast spielerischer Farbkompositionen zu einer ästhetisch reizvollen Bildsprache führte. Die Arbeit wird flankiert von zwei kleinen Fotografien, als Verweis auf seine Dokumentarfotografie, als Augen, die auf die vor ihm liegende Welt schauen.
Karl-Heinz Stapper und Ekkehard Böhm, gemeinsam mit Joseph Beuys, firmieren als Autoren des Werks „7000 Eichen KUNST-DÜNGER“, ein Siebdruck, der anlässlich der documenta 7 1982 entstanden ist.
Ein enfant terrible der Kunst, ein Exzentriker, ein „Neuer Wilder“ war Blalla W. Hallmann. 1941 geboren, lebte er mit seiner Familie nach der Flucht seit 1946 in Emsdetten. Hier absolvierte er eine Malerlehre. 1960 ging er an die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg. Sein Werk beschäftigt sich in drastischer, sowohl blasphemischer als auch obszöner Weise mit existenziellen Grundfragen aus Religion, Politik, Leben. Hier in der Ausstellung sehen Sie die relativ „harmlose“ Grafik „Schießeisen Christ Suppensterns Abendmahl“ (man könnte auch sagen: Jesus Christ Superstars Abendmahl). Daneben die Arbeit „Flammende Einsamkeit“ aus dem Jahr 1973, eine Phase, in der Blalla W. Hallmann in einer erheblichen Lebenskrise Ängste und Entfremdungserlebnisse in seinen Werken verarbeitete.
Daneben der stille, eher zurückhaltende Robert Beike. 1921 als Sohn eines Wannenmachers in Emsdetten geboren, gelernter Maler, besuchte von 1948 bis 1951 die Werkkunstschule in Münster. Dort bildeten Glas- und Baumalerei seine Schwerpunkte. Neben Glasfenstern schuf er zahlreiche Landschaftsbilder, Stadtansichten, Stilleben und vor allem Bilder der Wannenmacher. Aber auch die Abstraktion war ihm nicht fremd, wie man in der Gegenüberstellung der beiden Arbeiten erkennt.
Im Raum sehen Sie Skulpturen aus Baumberger Sandstein von Kristian Niemann, 1958 geboren, Emsdettener, seit kurzem Saerbecker. Sein Metier ist die Steinbildhauerei, die einen besonderen körperlichen Einsatz fordert. Er hat eine besondere Beziehung zum Stein, zu seiner Materie, seiner Symbolhaftigkeit, zu seinem Gewordensein. Das Durchdringen, das Bewegen, das Streben, das Wölben und Runden sind seine Themen. Dafür nutzt er Baumberger Sandstein, der vergleichsweise weich ist und sich als hochwertiger Werkstoff gut für die Bildhauerei eignet.
In einer zweiten Ausstellungsebene ’schweben‘ quasi die Arbeiten des 2007 verstorbenen Walter Jasper. Ausgangspunkt für seiner Objekte waren einfachste Dinge und Materialien wie Schrott, Altmetall, Flaschen, Fundstücke, Schwemmholz, Knochen, Federn, die er auf Spaziergängen, bei Ausfahrten, im Garten, auf dem Schrottplatz zufällig fand, sammelte und aufbewahrte. Die Hingabe und Entzückung etwas entdeckt zu haben, das Gesehene weiterzuträumen und in neue Kontexte, Bild- und Objektformen zu bringen, war der Reiz, der seine künstlerische Hand in Bewegung setzte.
Ein lohnendes Thema für eine Ausstellung wären Stadtansichten. Dieses Thema wird hier in der Ausstellung angerissen mit den Arbeiten von Hubertus Jelkmann, der als diplomierter Grafiker – er hat bei Rolf Escher an der Fachhochschule Münster studiert – eine eigene Art des Stadtpanoramas entwickelt, nicht rein illustrativ oder dokumentarisch beschreibend, sondern erzählerisch anspruchsvoll, ironisch, mit allerlei Anspielungen auf die Eigenheiten der Stadt, wenn Sie die Zeichnersprache des 1964 geborenen Künstlers, der in Emsdetten lebt und jetzt an der Geschwister-Scholl-Realschule Kunst unterrichtet, richtig zu deuten wissen.
Anne Daubenspeck-Focke, 1922 geboren, Mitbegründerin des Welbergener Kreises, hat in den 70 Jahren ihres künstlerischen Schaffens stets die menschliche Figur in den Mittelpunkt gestellt. Mit sakaraler Thematik, als profanes Motiv, in Keramik, Holz oder Bronze, als Kleinplastik oder monumental im Außenraum. Hier in der Ausstellung entzücken „Die vier Jahreszeiten“: das Sommermädchen und das Wintermädchen, Frühling und Herbst. Wie keck kommt da das junge Mädchen daher, das gerade entdeckt, dass die Brüste wachsen. Und was meint „Der Kunstkritiker“ dazu?
Ihr Kreativ- und Lebenspartner ist seit 1954 Herbert Daubenspeck, der ebenfalls bildhauerisch wie zeichnerisch tätig ist. Wir zeigen eine Serie aus „Herby’s Herbarium“, Tuschezeichnungen, die phantastische Pflanzen wiedergeben, die die gesellschaftliche Evolution geschaffen haben. Mit wachem, kritischem Sinn verfolgt Herbert Daubenspeck das Heute und nimmt die Veränderungen in Leben und Umwelt sensibel wahr. In seinen dreidimensionalen Arbeiten verfolgt er stets den Ansatz, vom Gegenständlichen in eine immer weitergehende Abstraktion zu kommen. Deutlich erkennbar in seiner Keramikarbeit „Vogel“.
Den Ausstellungsrundgang schließen die Arbeiten von Klaus Kossak ab. 1954 in Emsdetten geboren, Studium an der Hochschule der Künste Berlin, danach Hamburg, Rückkehr nach Berlin, seit 1995 wieder Emsdetten und hier Kunsterzieher am Gymnasium Martinum. Figurativ erkennbar und farblich erfassbar sind die dargestellten Motive, Konturen, Figuren, und doch entschlüsseln sich die Bilder nicht ohne weiteres. Träume und Realitäten sind bei ihm eins; der Ernst und die Tragik, das Absurde und das Alltägliche, das Magische und das Reale.
Dr. Andrea Brockmann