14. Januar bis 20. Februar 2011

Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?
Große, dunkle, Angst einflößende Figuren, Gesichter von fiktiven wie real existierenden Kriminellen und Diktatoren, schauen überdimensional groß von den Wänden der Galerie Münsterland auf die Besucher, dazwischen eine scheinbar idyllische Berglandschaft mit adretten Häuschen und einem Spiegelsee. Doch beim Rundblick stört plötzlich ein Atomkraftwerk die Idylle.
Was macht uns Angst? Wer versetzt uns in Angst? Wo lauert die Angst? Und wie gehen wir selbst mit unseren Ängsten um?

Es sind feinsinnige Denkanstöße zum Thema Angst, die das Künstlerduo Fersen und Weissköppel in der neuen Ausstellung hier in der Galerie Münsterland uns plastisch, teilweise verschlüsselt und künstlerisch übersetzt vor Augen führen. Übersetzt wird das beklemmende Gefühl in Bild- und Objektarrangements, die aus einem raffinierten System von Bild, Zeichnung, Objekt und Cutouts bestehen, das sind aus dem Kontext herausgetrennte, realistisch gemalte Motive, die frei im Ausstellungsraum positioniert körperhaft wirken. So werden existenzielle Ängste, Phobien, Zweifel thematisiert und konfrontieren uns Betrachter mit spannungsvollen, rätselhaften, assoziativen Bildern, in denen sich Realraum und der Illusionsraum vermischen. Wir sind irritiert, können die Bilder und Inszenierungen nicht auf Anhieb lesen, und ich möchte im Folgenden versuchen, einiges zu entschlüsseln.

Zum Beispiel das monumentale Bild in Blindenschrift, das mit den Punktmustern und seiner Codierung zunächst rätselhaft bleibt. Es hängt dort wie eine Wand, schirmt den Blick auf den Ausstellungsraum ab, wenn man die Galerie betritt, läuft man vor das Schwarz, erkennt vielleicht erst auf den zweiten Blick die Brailleschrift und im Hintergrund einen Ausschnitt aus dem Einladungsmotiv.

Doch wer von uns kann diese Blindenschrift entziffern? Dort steht ein Zitat aus dem 1963 erschienen Roman „Die Wand“ von Marlen Haushofer, einer heute fast vergessenen Schriftstellerin, deren Werk als Metapher für die grundlegende Einsamkeit des Menschen interpretiert wird. Die schwarze Wand und das Zitat „Ich sehe heute ein Stück weiter“ geben subtil einen Hinweis auf die Angst vor dem Verlust der Sehkraft, die für unser Leben so essentiell ist, eine Angst, die Fersen & Weissköppel auch persönlich sehr berührt.

Hinter dem Wand-Bild befindet sich auf dem Boden ein weiteres Details aus dem Einladungsmotiv, ein Flugzeug, das aus zusammengelegten Spiegeln besteht. Beugen wir uns ein wenig vor, dann konfrontieren wir uns mit unserem Spiegelbild, mit uns Selbst, auch mit unseren Ängsten, und vielleicht schauen wir gar der eigenen Flugangst ins Gesicht.

Ein Flugzeug kann den Traum vom Fliegen ausdrücken, zugleich kann ein Geschwader von Flugzeugen uns Angst machen, Gedanken an Krieg und Bedrohung aufkommen lassen. Eine Wolke ist luftiges Zeichen des Himmels und auf der anderen Seite kann eine dunkle Wolke Unheimlichkeit ausdrücken: Da braut sich was am Himmel zusammen. Wir konstruieren unsere Ängste vor dem Hintergrund der eigenen Disposition. Dieses Konstruieren greifen die Künstler mit ihren Stempelblättern auf. Sie haben bereits einige gestempelte Wolken- und Flugzeugformationen, vielleicht gar Angstformationen angefertigt und sie fordern uns nun zum Mitmachen auf. Wir können selbst ein Stempelbild herstellen, es an die Wand heften und vielleicht so auch eine Angst dem Windhauch überlassen.

Im oberen „Angst“-Raum sehen Sie außen an der Wand fiktive und reale Bedrohungen, es sind Stellvertreter-Gesichter für Monopolisten der Angst, für staatlich geförderten Terror, für ungeheuerliche Verbrechen, für die Angst vor den Möglichkeiten des Internets, auch für den Erfolg der Horrorfilmindustrie. Erkennen Sie alle Gesichter? Und wirken diese Gesichter tatsächlich alle angsteinflößend? Von rechts nach links: Kinderschänder Dutroux, Irans Präsident Ahmadinedschad, ein anonymer Vermummter, vermeintlich ein Terrorist, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-il, die Horrorfilmfigur Freddy Krueger und Julian Assange, Sprecher von Wikileaks. Wer macht hier wem Angst?

Im Raum befindet sich eine angedeutete Berglandschaft um einen Spiegelsee mit kleinen adretten Häuschen, die für den Mikrokosmos, unsere direkte Umgebung, unsere Welt vor der Haustür stehen. Aber auch in der so genannten heilen Welt gibt es Ängste, Bedrohungen, Gewalt, Zerstörung. Und die kleine „Church of Fear“, ein Verweis auf Christoph Schlingensiefs angstoffene Kirchenprojekt, das erstmals 2003 auf der Biennale in Venedig auftauchte, kann nicht alle Bekenntnisse der Angst aufnehmen.

Manuela Fersen und Michael Weissköppel, die als Künstlerduo zusammen arbeiten und im gemeinsamen Dialog Ausstellungen konzipieren, haben zunächst an der Fachhochschule Bielefeld beide ihr Diplom in Grafik-Design absolviert, danach haben sie an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig Freie Kunst bei John M. Armleder, Lienhard v. Monkiewitsch und Norbert Tadeusz studiert, 2004 waren sie Meisterschüler. Es schloss sich u.a. ein Stipendium im Künstlerdorf Schöppingen an, aktuell haben sie ein Atelier-Stipendium in Magdeburg.

www.fersenundweisskoeppel.de
fersenundweisskoeppel.wordpress.com