20.01. – 24.02.2008
Ateliergemeinschaft Schulstraße 22, Münster: Mark Formanek, Nora Grunwald, Thomas Hak, Nikola Hamacher, Doris Kastner, Maike Kloss, Ruppe Koselleck, Maria Langenstroth, Antonia Low, Paula Müller, Verena Püschel, Juan del Rio, Christine Rokahr, Esther Rutenfranz, Alfred Schramm, Axel Schulß, Meinhard Schulte, Max Sudhues
Schwerpunkt der Ausstellung „Ausflug 3“ bildet die Malerei.
Hierin entfaltet sich ein weites Spektrum:
Maike Kloss zeigt anmutige und geheimnisvolle Frauengestalten. Ihre beiden großen Leinwandarbeiten faszinieren nicht nur durch ihren Reichtum an präzise ausgearbeiteten Details und die einnehmende Figürlichkeit, sondern ebenso durch ihre raffinierte Oberfläche. Aus realistischen, dekorativen und surrealen Versatzstücken entwickelt Maike Kloss ihre Bilder wie Märchen, wie Mythologien oder Musikstücke, in deren opulenten Szenarien und klangvollen Rhythmen sich die Betrachter verlieren können.
Auch Nora Grunwald beschäftigt sich mit dem Figürlichen, aber auf eine ganz andere Art. Leibesfülle, Fettpolster, Speckrollen – als „Prachtentfaltung dicker Körper auf Leinwand und Papier“ hat es die Künstlerin einmal selbst beschrieben. Weit weg von ästhetischen Idealvorstellungen entwirft Nora Grunwald Körperlandschaften, deren fleischliche Masse nahezu den Rahmen, das Bildgeviert sprengt. Wir denken an die beleibten Rubensfrauen, die viel Sinnlichkeit und Lebenslust ausstrahlen. Und auch Nora Grunwalds Arbeiten erzählen von Genuss, von Lust, von Wärme, und auch von Zartheit.
Die Freude an der Malerei ist Alfred Schramms Werken anzumerken. Einzelne Themen werden immer wieder variiert, lineares, konstruktives und mitunter expressives Farb- und Formenspiel miteinander kombiniert. Damit durchbricht er die Sicherheit geometrischer Ordnungen, die das Quadrat vorgibt. Und zwischendurch tritt immer wieder ‚Mein Freund Harvey‘ auf, der große unsichtbare, weiße Hase aus Mary Chase‘ Theaterstück.
In einem Text über Thomas Hak ist zu lesen, er sei ein „abstrakter Impressionist“ und seine Werke seinen eine „Hommage an Monet“. Und tatsächlich, wenn wir „La Ola“ betrachten, die Welle, dann erkennen wir, wie die Farbstruktur das Licht bricht, wie mit der Kraft der Sonne, des Lichtes die Gischt zum einem sprudelnden Weiß wird. Seine Bilder haben Leichtigkeit, sie schwelgen und durchfluten den Raum und dokumentieren sein Vermögen, der Farbe jede Schwere zu nehmen.
Die Leinwandarbeiten von Meinhard Schulte kennzeichnet eine kräftige Farbigkeit, Dynamik und bewegter Duktus. Die expressiven Züge seiner Malerei treten mit den kleinformatigen Zeichnungen in ein außergewöhnliches Spannungsverhältnis. Das Filigrane, der Strich, die Linie der Zeichnung wird nicht etwa von der Malerei geschluckt, sondern es entwickelt sich ein gleichwertiger Dialog.
Juan del Rios Gouachen sind farben- und lebensfrohe Visionen und Geschichten, die eine leichte Heiterkeit ausstrahlen. Der Künstler ist in Buenos Aires aufgewachsen und hat dort die Kunstakademie besucht. In seinen Arbeiten verschmilzt er tradiertes Vokabular von Abstraktion und Figuration. In diesem Gestus verbindet Juan del Rio südamerikanisches Lebensgefühl mit europäischer Moderne.
Paula Mueller und Esther Rutenfranz bespielen gemeinsam die Stirnwand der oberen Halle. Paula Muellers dichten, mystisch wirkenden Zeichnungen entstehen ohne Vorzeichnungen, es sind vielmehr unbewusste, traumhafte und spontane Elemente menschlicher Eingebung, die in einer neuen Art der Kreativität, der freien Assoziation, der visuellen Erscheinungen münden. Sie flankieren die Arbeiten von Esther Rutenfranz. Sie gibt kristalline Gesteine, Amethyst und Achat, Edelstein, Jahrtausende alt, wieder. Doch mit dem gewählten Trägermaterial, dem Transparentfilm, also industriellem Material, bricht die Künstlerin die Festigkeit und Härte des Gesteins.
Kongenial daneben Christine Rokahrs Installation „Erde, Mond und Sonne“. Ihre derzeitige Werkphase ist durch einen starken biografischen Bezug gekennzeichnet. So integriert sie hier in ihrer Arbeit einen Gobelin, den ihr Vater ihrer Mutter geschenkt hat. Ihr Entwurf sah zunächst anders aus, doch sie hat sich in einer intensiven Beschäftigung mit dem Raum, mit der Atmosphäre, mit den Verbindungen zu den umgebenden Arbeiten auf eine neue Idee eingelassen, hat sie zulassen, hat flache Wandmalerei, das Stoffliche des Gobelins, die Materialität der Leinwandarbeit und den Salzkreis der Bodeninstallation in einen inneren Zusammenhang gebracht.
Maria Langenstroth beschäftigt sich intensiv mit den Problemen der Farbe, ihres Wesens, ihrer Beziehungen und Verhältnisse. Ihre Malerei ist nahezu meditativ, ist ruhig, sie sucht keine schnellen Effekte. Die Farben findet die Künstlerin in einem langwierigen Prozess und sie spielen auf eine Stimmung, eine Empfindung, eine Erinnerung an. Ihre Palette bleibt der Natur nahe, wird nie bunt oder schrill. So entstehen auf ihren Bildern Landschaften, bestehend aus Farbfeldern mit ruhigen, erdigen Tönen. Oft besitzen ihre Arbeiten auch eine poetische Note, wie z.B. der „Milchstern“.
Eine Beziehung zur Landschaftsmalerei sieht Max Sudhues selbst in seinem Video-Loop „Belarus“. Er verbindet neues Medium mit traditioneller Gattung, Natur und Un-Natur. Dabei verschmilzt bewegte Vegetation mit der starren Wand, wie ein Scherenschnitt wirkt diese Stelle. Dazu poppig, grelle Punkte, die uns bewusst machen, dass wir es hier mit einem technischen Medium zu tun haben, mit einer digitalen Bearbeitung, mit einem künstlerischen Eingriff in die Wirklichkeit, die heute zunehmend eine Medienwirklichkeit ist.
Die Videoinstallation „La sera“ von Nikola Hamacher lockt den Blick des Betrachters in ein Badezimmer. Dabei müssen wir dem rückwärts gewandten Monitor über die Schulter schauen und sehen in einen Spiegel an der Wand, aber wir sehen nicht uns, sondern wir sehen junge Frauen und Männer, die sich vor einem Spiegel frisieren, rasieren, eincremen, schminken. Eine ganz intime Situation, der voyeuristische Blick wird zum Thema. Auch die zweite Arbeit von Nikola Hamacher wirft einen Blick auf Menschen, im Film vom letztjährigen Rosenmontagsumzug in Münster. Aber bei all dem jecken, lauten, bunten Treiben fällt der Blick auf die Gesichter jener, die nicht fröhlich sind, die nicht schunkeln, nicht lauthals „Es war einmal ein treuer Husar“ singen. Sondern es sind vielmehr die ernsten Minen, die nachdenklichen und ausdrucklosen Gesichter, die die Künstlerin interessieren. So demaskiert sie die aufgesetzten Spielregeln des kollektiven Fröhlichseins, der gesellschaftlichen Konvention, des sozialen Muss.
Antonia Low zeigt zwei Licht-Objekte, bestehend aus einer Komplettlampe, wie sie die rechte Wandarbeit betitelt, und einer Glühbirne im Glas auf einem Hocker. Glühlampen, Kabel, Steckdosen erscheinen wiederholt im Werk von Antonia Low. Die zur Lichterzeugung nötigen Geräte und Lichtquellen bewahren ihren technisch bestimmten Objektcharakter. Licht in seiner unstofflichen Magie kommt dabei klar und unmittelbar zur Geltung.
Licht spielt auch in der Arbeit von Doris Kastner eine besondere Rolle. Als natürliches Licht fällt es von außen durch das Fenster, spielt mit dem changierenden Grün und findet den Weg durch die Öffnungen. En casa, so ist diese Arbeit betitelt, zu Hause. Eine weit gespannte und komplexe Metaphorik von Innen und Außen, von Raum und Ort, von Aufbruch, Weg und Ziel geht darin auf. Im Grün nimmt die Künstlerin zudem das Landschaftsmotiv auf und führt das räumliche Denken und Empfinden auf eine andere Ebene.
Ebenfalls räumlich bzw. plastisch wirkt Verena Püschels Arbeit „Hello, my Friend“, die direkt vor Ort entstanden ist. Das Muster, lange Zeit ästhetisch verpönt in Kunst, Design und Architektur, wird zum Mittel einer zeitgenössischen Formfindung. In der Transformation der Oberfläche mittels Schleifenband überwindet die Künstlerin das ornamentale Allover und führt das Muster zurück in aktuellen Diskurs der Kunst.
Es gibt noch eine Neuigkeit zu vermelden: Emsdetten hat jetzt auch eine Ikea-Filiale. Ruppe Koselleck, Begründer der Bodenstiftung und Kurator der Subskulpturenprojekte, hat sie eröffnet – als Verweis auf seine parasitären Publikationen. Darunter versteht er nicht legitimierte Bei- oder Einlagen in uneigene Publikationszusammenhänge, z.B. seine Eingriffe in verschiedenen Ikea-Häusern. Dort entfernt er die schwedischen Musterfamilien aus der Möbelausstellung in den dort verbreiteten Wechselrahmen und ersetzt sie durch die eigene Familie und tauscht Ikea-Kunst durch eigene Arbeiten.
In der unteren Halle treffen wir auf Mark Formaneks Stellvertreter, bestehend aus einem Holzgestell und Kleidung des Künstlers. An der Wand hängen seine getragenen Hemden und die „Duisburger Nächte“ entsprechen mit 1,70 mit der Körpergröße des Künstlers und bestehen aus von ihm gebrauchten Bettlaken. Sie dienen als DNA-Archiv. Der genetische Code, der uns eindeutig identifizierbar macht. Das Ich des Künstlers archiviert in den Fasern des Bettlakens, das als Bild angelegt wird.
Auch Axel Schulß, der als Gastkünstler die Gruppe komplettiert, macht sich selbst zum Thema, in einer Serie von Selbstporträts, die mit einem Nagel durchschlagen sind: der Nagel im Kopf als Metapher für das Unabwendbare, das Schicksalhafte, das unser Leben von einem zum anderen Moment auf den Kopf stellt. Als der Texter und Songwriter vor einigen Jahren die Diagnose erhielt, an MS zu leiden, da fühlte er sich so, als ob ihm jemand einen Nagel in den Kopf geschlagen hat. Doch er resignierte nicht vor der Krankheit, sondern engagiert sich, bringt das Thema MS mit verschiedenen Aktionen in die Öffentlichkeit, wie z.B. mit seinem MS-Engel.
(Auszug aus der Eröffnungsrede von Dr. Andrea Brockmann)