21.09. – 26.10.2008
Bienen fliegen von Blüte zu Blüte, sammeln Blütenpollen, Nektar,nehmen auf, bestäuben, schwirren, schwärmen, tänzeln; sie fermentieren, erbrechen, stampfen, schaben sich gegenseitig Wachs vom Körper, um Waben zu bauen. Sie durchlaufen während ihrer Entwicklung eine vollständige Verwandlung. Sie bilden einen sozialen Organismus.
Die Bedeutung der Insekten im Naturhaushalt wird allenthalben als wichtig und wertvoll angesehen, doch wenig ist vom Verhalten der Bienen in der Wissenschaft bisher entdeckt und dokumentiert. Die Künstlerin Jeanette Zippel, die sich seit 20 Jahren intensiv mit der Honigbiene als Einzelwesen und dem Bien, also der Gesamtheit des als Organismus begriffenen Bienenvolks, beschäftigt, versucht in ihrer Kunst, Antworten zu finden und das Wesen, das Verhalten, die Bewegung der Bienen auf ihre eigene Weise zu erkunden und bildhaft zu machen.
In ihren Zeichnungen gibt sie sich im Prozess des Durchlebens und des Zeichnens vollkommen dem Bewegungsrhythmen der Bienen hin und im impulsiv-exaltierten Gestus entstehen großformatige Kohle-, Pastell- und Tuschezeichnungen, die in ihrer Expressivität die Dynamik, die Kraft, die Unkontrolliertheit, aber auch die Energie der Bewegung allen Seins zum Ausdruck bringen.
Jener Bewegungsgestus findet sich auch im Video „Honighände“, das als „phänomenologische Geste“ die Flugbahnen und -bewegungen der Bienen mit den rhythmisch sich bewegenden Händen des Menschen in einen inneren Zusammenhang bringt.Die sich wechselseitig bedingenden Bewegungsrhythmn erhalten nahezu einen meditativen, aber auch prozessual-ritualistischen Charakter, letztlich fassen sie die Einheit von Kunst und Leben.
Die Serie „Bienoptik“, die den traditionellen Kartoffeldruck mit maschinellem Computerdruck kombiniert, thematisiert die Wahrnehmung und das Sehen, das im Gehirn der Bienen den Ort der jeweils bearbeiteten Blüte konstruiert. Die flächigen Visualisierungen zeigen Farbahnungen von Blütenfeldern, die Bienen, an deren Kopf sich zwei Facettenaugen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Einzelaugen befinden, in ihrer optischen Wahrnehmung zu Bildern zusammensetzen. Die Biene kann Farben unterscheiden, doch ihr Farbspektrum ist im Vergleich zu dem des Menschen zum Ultravioletten hin verschoben, während die Biene rot blind ist.
Die Objekte von Jeanette Zippel verweisen auf die plastischen Prozesse bei den Bienen und ihren Sekreten Honig und Wachs. Die plastischen Arbeiten sind freie Interpretationen der Formideen aus kugel- und facettenförmigen Elementen, die sich aus dem Bau der Wabenzellen und dem Wesen des Bien erklären. Die Wandinstallation „Bienenpflanzen röhren“ verdichtet natürliches Produkt und künstler ische Gestaltung zu einer ästhetischen Aussage.
Die Biene ist von der Moderne zur Postmoderne immer wieder Thema und Motiv der bildenden Kunst, von Joseph Beuys bis Matthew Barney oder Robert Elfgen, die in ihren Werken die Biene in ihrer staatenbildenden Fähigkeit als Symbolträger nutzen und so die Verbindung zur sozialen Plastik schaffen. Teilweise auf ähnliche Quellen rekurrierend setzt sich auch Jeanette Zippel mit dem Phänomen Bien auseinander, jedoch nutzt sie das Modell des Bienenstaates nicht in einer politischen, gesellschaftlichen oder utopischen Dimension, sondern bei ihr steht die bewusste Anbindung an die Natur, die Gleichrangigkeit und Analogien der Systeme im Vordergrund. Jeanette Zippel arbeitet nicht nur als Künstlerin über das Thema Bienen, sondern lebt und erlebt auch mit ihren eigenen Bienenvölkern die Prozesse der Natur. Sie ist die Ressource ihrer kreativen Ideen.
Die Künstlerin, geboren 1963, studierte von 1984 bis 1990 Freie Malerei an der Akademie der Bildenden Künste München. Parallel absolvierte sich eine Gesangsausbildung im klassischen Fach sowie im experimentellen Gesang.Jeanette Zippel war Stipendiatin des DAAD, der Kunststiftung Baden-Württemberg und der Cité Internationale des Arts Paris. Von 2001 bis 2006 lehrte sich als Professorin an der Fachhochschule Schwäbisch Hall, Hochschule für Gestaltung.